Hintergrund und Chronologie der Ereignisse

Seit sich die Initiative gegründet hat, hat sich viel ereignet. Der Fall von Leyla und Meryem ist komplex und es ist daher schwer, den Überblick darüber zu behalten, wann was passiert ist und welche Bedeutung dies hat. Deshalb haben wir eine Chronologie der jüngsten Ereignisse erstellt. 
Eigentlich müsste man viel früher ansetzen, als wir es jetzt getan haben – ist doch z.B. die Ablehnung des ersten Asylantrags der Familie vor fast 30 Jahren zwangsläufig ausschlaggebend für den weiteren Verlauf des behördliches Verhaltens. Wir haben in der Übersicht aber nur die jüngsten Ereignisse zusammengefasst, weil es uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, die letzten 30 Jahre angemessen aufzuarbeiten und gleichzeitig zum Verständnis der gegenwärtigen Situation eine Übersicht über die letzten Jahre ausreichend ist.

Dez. 2018Ausweisungsanhörung (Zentrale Ausländerbehärde (ZAB) Oberfranken)*
31.01.2019ZAB Oberfranken lehnt Antrag auf Arbeitserlaubnis für Leyla Lacin ab
19.03.2019Bayrisches Verwaltungsgericht Bayreuth ist der Ansicht, dass ZAB Oberfranken die Passivlegitimation fehlt, um Antrag auf Arbeitserlaubnis ablehnen zu können; Ablehnung des Antrags wird damit aufgehoben, aber Leyla weiterhin ohne Arbeitserlaubnis
02.04.2019ZAB Oberfranken nimmt Bescheid mit Verweis auf VerwG- Urteil vom 19.03.2019 zurück und erklärt, nicht zuständig zu sein
Okt. 2019VG Kassel urteilt, dass Kassel nicht für die beide Frauen zuständig ist
Juli 2020ZAB Kassel hat Passersatzpapiere für Leyla Lacin organisiert (hat Akteneinsicht im Mai 2021 ergeben)
Aug. 2020Anschreiben der ZAB Oberfranken mit dem Hinweis, dass der Antrag auf Arbeitserlaubnis, der inzwischen erneut gestellt wurde, noch bearbeitet wird
Sept./Okt. 2020Freund:innen, Kolleg:innen und Nachbar:innen schreiben Briefe an die Ausländerbehörde Kassel sowie die Stadt Kassel, in der sie um Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis für Leyla und Meryem bitten
Okt. 2020Gründung einer Unterstützungs-Gruppe („Initiative für Leyla und Meryem“, anlässlich der Aktivitäten des Zollamts Gießen gegenüber Leylas Arbeitgeber: das Zollamt übt Druck auf Leyla´s Arbeitsgeber aus und diskreditiert Leyla´s Arbeit wegen illegaler Beschäftigung. Zudem sieht sich Kassel weiterhin nicht in der Zuständigkeit für Leyla und Meryem, obwohl die beiden seit fast 10 Jahren in Kassel leben. Dadurch bleibt den beiden weiterhin eine langfristige Perspektive verwehrt
Nov. 2020Leyla´s Arbeitgeber erhält vom Zollamt Gießen eine Strafe im vierstelligen Bereich und sieht sich daher gezwungen, mit ihr über eine mögliche Kündigung zu sprechen.
Nov. 2020Die Unterstützungs-Gruppe sucht nach Unterstützer:innen für einen offenen Brief an Ilona Friedrich (Kasseler Bürgermeisterin für Soziales) innerhalb der Kasseler Stadtgesellschaft und findet viel Zuspruch und Unterstützung durch verschiedene zivilgesellschaftliche, politische und kulturelle Akteure, die diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen wollen
Dez. 2020Gespräch mit Leyla´s Arbeitgeber zur Frage, wie eine Weiterbeschäftigung aussehen kann, findet statt. Leyla´s Arbeitgeber steht voll hinter ihr und würde sie gerne weiter beschäftigen, braucht dazu aber eine offizielle Arbeitserlaubnis für Leyla. Solange diese nicht vorliegt, muss er dem Druck nachgeben und gegen eigene Widerstände eine Kündigung aussprechen.
07.01.2021Erstes Gespräch zwischen zwei Vertreterinnen der Unterstützungsgruppe und der Kasseler Bürgermeisterin für Soziales Ilona Friedrich, dem Chef der Kasseler Ausländerbehörde und der Chefin des Kasseler Sozialamts. Ziel des Gesprächs war, abzuklären, wie die Zuständigkeit für Leyla und Meryem nach Kassel überführt werden kann, damit beide einen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Kassel erhalten können und Leyla zusätzlich eine Arbeitserlaubnis bekommt. Das Gespräch war für die Unterstützungsgruppe sehr ernüchternd, da immer wieder auf die Zuständigkeit Bayreuths verwiesen und behauptet wurde, der Stadt Kassel seien die Hände gebunden aufgrund eines Gerichtsurteils des VG Kassel im Herbst 2019. Gleichzeitig wurde mündlich zugesichert, dass die Stadt Kassel den Fall beider Frauen übernehmen würde, wenn die Zuständigkeitsfrage geklärt und seitens der bayrischen Behörden einer Überführung des Falls nach Kassel zugestimmt werden würde.
12.02.2021Die ZAB Kassel hat Passersatzpapiere für Meryem Lacin organisiert und bittet ZAB Oberfranken darum, Flugdaten für beide Frauen in die Türkei zu buchen; ZAB Oberfranken will Klärung der Zuständigkeitsfrage abwarten (hat Akteneinsicht im Mai 2021 ergeben)
01.03.2021200 Menschen haben vor dem Rathaus Kassel für Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis für Leyla und Meryem Lacin demonstriert. Viele Kolleg:innen, Freund:Innen und Unterstützer:innen kamen, um ihren Unmut über die anhaltende Ungerechtigkeit zu zeigen. Es gab Reden von der Unterstützungsgruppe, Leyla selbst, ver.di und einer ihrer Arbeitskolleg:innen.
01.03.2021Veröffentlichung des Offenen Briefes unterzeichnet von zahlreichen Kasseler Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen der Stadtgesellschaft
23.03.2021Zweites Gespräch zwischen Vertreterin der Unterstützungsgruppe und Ilona Friedrich (Bürgermeisterin und Sozialdezernentin der Stadt Kassel), dem Leiter der Ausländerbehörde Kassel und der Chefin vom Sozialamt. Auch anwesend Pfarrer H. Fischer. Auch dieses Gespräch hatte für die Unterstützungsgruppe kein positives Ergebnis, weil weiterhin auf die Unzuständigkeit Kassels verwiesen wurde.
24.03.2021Petitionsübergabe an die Stadt Kassel: 4321 Unterschriften zum Zeitpunkt der Übergabe. Diese konnte nur per Einwurf in den Briefkasten des Rathauses erfolgen, da die Bürgermeisterin und der Chef der städtischen Ausländerbehörde angaben, keine Möglichkeit der Teilhabe zu haben.
21.04.2021Gerichtsverhandlung am Landessozialgericht Hessen, um Sozialleistungen für Meryem zu erstreiten (erfolgreich)
30.04.2021Die durch das Zollamt Gießen erzwungene Kündigung von Leyla Lacin wird wirksam; dadurch fällt das regelmäßige Einkommen für Meryem und Leyla Lacin weg
05.2021Durch anwaltliche Akteneinsicht wird bekannt, dass die ZAB  (Zentrale Ausländerbehörde) Kassel in Zusammenarbeit mit der ZAB Bamberg bereits alle Unterlagen für eine Abschiebung in die Türkei vorbereitet hatte. Selbst die Passpapiere vom türkischen Konsulat wurden organisiert. Deren Nicht-Beantragung durch Leyla und Meryem bisher immer als Hinderungsgrund für einen Aufenthalt angeführt wurden – dies war aber plötzlich anscheinend kein Hinterungsgrund mehr. Diese Information hat uns ziemlich schockiert, bedeutet eine Abschiebung in die Türkei aufgrund ihrer politischen Aktivität als Kurdinnen ja für beide Frauen mindestens Gefängnis, wenn nicht auch Folter und die Bedrohung ihres Lebens.
13.07.2021Psychotherapeuthische Gutachten werden eingereicht und damit Duldungen für Leyla und Meryem beantragt
15.11.2021Die ZAB Bamberg stellt in Aussicht, dass aufgrund der Anerkennung der psychiatrischen Gutachten sowohl Leyla als auch Meryem eine Duldung erhalten. Außerdem soll Leyla eine Arbeitserlaubnis erhalten. Dadurch würde die Wohnsitzauflage für Bayreuth entfallen und Leyla und Meryem dürften endlich vollkommen legalisiert in Kassel leben. 
15.12.2021Leyla Lacin wird angeklagt, weil sie sich illegal in Deutschland aufgehalten haben soll. Der für den 15.12. angesetzte Gerichtstermin wird kurzfristig aufgrund der Entwicklungen bei den Behörden in Bamberg nach Einreichung der psychologischen Gutachten abgesagt und das Verfahren eingestellt. 
Seit 01.2022:Zusammen mit einem Anwalt erstreitet Meryem Lacin die Fortsetzung der Übernahme ihrer Gesundheitskosten durch das Sozialamt Kassel. Diese Übernahme galt bisher nur bis Ende 2021 und musste für das Jahr 2022 erneut beantragt werden. Nachdem das Sozialgericht Kassel zunächst zugunsten Meryem Lacins entschieden hatte, legte das Rechtsamt der Stadt Kassel Beschwerde gegen dieses Urteil ein. In ihrer Begründung bezweifelte die Stadt Kassel unter anderem, dass Meryem Lacin überhaupt eine Krankenversicherung brauche, weil es ja auch schon Zeiten gegeben hätte, in denen sie auch nicht krankenversichert gewesen sei. Ende März 2022 zieht die Stadt Kassel ihre Beschwerde zurück – vielleicht hat sie eingesehen, dass sie mit ihrer menschenverachtenden Argumentation zu weit gegangen ist. 
04.2022Die Behörden in Bayreuth stellen die Duldungen aus. Diese müssen alle 4 Monate erneuert werden. Die Aufhebung der Wohnsitzauflage wird an eine Arbeitserlaubnis gekoppelt. Nach mehr als 10 Jahren in Kassel sollen die beiden Frauen nach Bayern zurück, wo sie niemanden kennen und aus ihrem sozialen Umfeld in Kassel rausgerissen werden. Zudem können die Arbeitserlaubnis – so die Behörden – nur ausgestellt werden, wenn Leyla Lacin einen gültigen türkischen Pass vorlegen. Diese Pässe wurden den beiden vor vielen Jahren von den Behörden abgenommen und seitdem nicht mehr zurück gegeben. Dass von unseren Freund*innen erwartet wird, in das Konsulat des Staates zu gehen, vor dessen politischer Verfolgung sie geflohen sind, finden wir skandalös!